Was bedeutet engagierte präsenz, Barbara Backhaus?

Veni Vidi violini: Ich kam, sah und vergeigte
Der Podcast über den Erfolg abseits der Wege

Noemi Harnickell Herzlich willkommen zu Veni Vidi Violini. Die heutige Folge ist ein bisschen anders als die übrigen: barbara Backhaus stellt euch nämlich ihre Weiterbildung «Engagierte Präsenz» vor, die ab Januar über sieben Module stattfinden wird. Es ist eine Weiterbildung für Menschen in Führungspositionen. Die spüren An der Stelle geht es irgendwie nicht weiter. Barbara und ihr Kollege Rainer Pepper führen die Teilnehmenden durch Körperarbeit und Coaching zurück in ihre Kraft und gebe dem Scheitern eine ganz neue Bedeutung. Scheitern muss nicht unbedingt Versagen heißen. Scheitern kann auch ein wieder Aufstehen sein, ein nochmal von vorne versuchen. Ich wünsche euch ganz viel Freude beim Zuhören Und wer weiß, vielleicht sehen wir euch ja demnächst im Kurs. Wir reden heute über die engagierte Präsenz. Kannst du einmal erzählen, worum es da genau geht?

Barbara Backhaus Engagierte Präsenz ist eine Weiterbildung in sieben Modulen speziell für Menschen in Verantwortung. Das ist unser Begriff für Menschen in Führungsverantwortung. Und diese Weiterbildung beginnt, wie gesagt, am 9. Januar 2025 und findet diesmal statt im Appenzell, im Hof Weissbad, eines der schönsten Hotels hier in der Schweiz. Du hast gefragt: Worum geht es in der Engagierten Präsenz? Führungsalltag gestaltet sich zunehmend komplex. Also das Thema der Führungsverantwortung auf fachlicher Ebene geht immer mehr dorthin … Führung von Systemen, also von Menschen, die in Beziehung miteinander stehen, und ist sehr schnelllebig. Von daher stehen Führungsverantwortliche generell unter hohem Druck. Also sie müssen immer sehr präsent und sehr engagiert sein. Von daher dieser Titel. Und es ist nicht so ganz einfach, in diese Präsenz zu kommen oder in dieser Präsenz dann auch zu bleiben. Wieso? Wir sind ja alle Produkte unter anderem auch unserer Erziehung, unseres Umfeldes, unseres Erlebens, unserer Gene. Und das prägt unsere Werte, unser Verhalten, unsere Glaubenssätze. Viele dieser Glaubenssätze, dieser Werte haben uns ja weitergebracht. Und Menschen in Führungsverantwortung sind in der Regel recht erfolgreich – also erfolgreich sowohl beruflich als privat, sind in der Regel in einem guten sozialen Umfeld und doch merken diese Menschen immer mehr: Das, was mich dorthin gebracht hat, das, was mich erfolgreich gemacht hat, wird sehr oft jetzt zur Behinderung. Also diese Werkzeuge, diese Tools, das Verhalten, das bisher gereicht hat, das gut war, stößt jetzt an Grenzen. Und das hat sehr, sehr oft mit diesem gelernten Verhalten zu tun. Und in der engagierten Präsenz gehen wir dieser Frage nach: Woher kommt dieses gelernte Verhalten? Ist es tatsächlich noch noch nützlich? Bringt es Freude in mein Leben oder wird es immer mehr zum Hindernis?

Noemi Harnickell Hast du ein Beispiel dafür, was ein solches gelerntes Verhalten sein kann?

Barbara Backhaus Also ein Beispiel für solch gelerntes Verhalten kann sein, wenn ich mich anstrenge, wenn ich mich gut informiere, wenn ich fachlich gut bin, meine Weiterbildung mache, dann bin ich erfolgreich. Wird ja durch unser Schulsystem nach wie vor auch gefördert. Also das Leben als als Einzelindividuum. Also es kommt auf meine Haltung an, es kommt auf meine Leistungsbereitschaft an, das ist sehr verbreitet nach wie vor unter Führungsmenschen. Also wenn ich nur das richtige Tool habe, wenn ich mich anstrenge, dann kommt es schon gut. Und das stimmt leider nur bedingt. Wir Menschen sind ja emotional Beziehungswesen, sage ich mal. Also wir sind sehr von unseren Emotionen und um unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit geleitet. Und das ist allein über Leistung nicht erreichbar, sondern da muss ich erreichbar bleiben, da muss ich meine zarten Seiten auch leben dürfen. Da muss ich lernen, Nein zu sagen, ohne den Kontakt zu den anderen zu verlieren. Also abgrenzen allein genügt da nicht. Das kann oft in eine Vereinsamung führen. Und auch … ich sage dem mal starre Leistungsbereitschaft, also mehr, besser, größer bringt uns auf dem Gebiet kaum weiter. Führungsmenschen sind heute sehr, sehr gefragt. Auch: Wie führe ich ein System? Also System wird definiert jetzt in meinem Verständnis, die Beziehung der Menschen untereinander bilden das System. Und was ist meine Aufgabe, mein Job in diesem System, in der Rolle der Führungsperson? Und das erklärt sich dann schon, wenn ich dann leistungsbereit bin nur aus meinen Werten. Ich muss es machen, ich bin verantwortlich. Dann merkst du schon, das Thema des Kontaktes der Beziehung fällt unter den Tisch. Und darum geht es dann in diesen sieben Modulen.

Noemi Harnickell Du hast vorhin gesagt, es geht ganz fest darum, dass man als Führungsperson präsent ist und engagiert ist. Wie kommt man in diese Engagiertheit, in diese Präsenz? Wie findet man da wieder hinein, wenn man das Gefühl hat, man hat den Draht irgendwie verloren?

Barbara Backhaus Du sprichst schon das Richtige an: Wenn ich das Gefühl habe, ich habe den Draht verloren. Genau darum geht es. Das Erste, und ich sage immer, dass schon 80 Prozent der Besserung, ist, ich muss es merken. Was heißt merken? Jedes Gefühl, jede Emotion hat einen körperlichen Marker. Und wir arbeiten in der engagierten Präsenz immer auf der Ebene des Körpers, dann der Empfindung oder des des Spürbewusstseins, auch der Gefühle und der Ratio, des Kopfes des Gelernten. Das sind so die drei Ebenen, die im Alltag immer ganz eng miteinander spielen, die wir gar nicht so auseinandernehmen. Der Körper, das Spüren, ist das Schnellste. Das heißt, wenn ich sehr leistungsbereit bin, hat das eine körperliche Empfindung. Das kann sein, dass mein Körper sehr in der Spannung ist. Es ist auf Sprung. Die Muskeln sind ein ganz klein, bisschen verhärtet und und, und. Und wenn ich das nicht merke und dann zwischendurch auch wieder in eine angemessene Grundspannung, in eine Entspannung, die mir gut tut, aber nicht zum Erschlaffen führt, komme, erschöpfe ich mich mit der Zeit. Das heißt, ich verhärte immer mehr, nicht nur körperlich, sondern auch mental. Das kann sich darin äußern, dass ich als Führungsperson meine, ich wüsste, wie etwas geht, das die Mitarbeiter und jetzt nur im Widerstand sind. Also eine gewisse Empfindungslosigkeit. Und die gilt es, wie du gesagt hast, die gilt es zu bemerken und dann zu schauen: Was ist dahinter? Und das geschieht einerseits über Reflexion, also durchaus rational, aber sehr oft auch und sehr begleitend auch über die körperlichen Empfindungen. Also was sind meine Trigger, meine körperlichen Marker für die und jene Empfindung? Weil über den Körper kann ich es dann sehr viel schneller lösen. Ich komme schneller ins Handeln als über die reine Ratio. Das bleibt oft dann im Erkennen, aber der Schritt zum Handeln fehlt. Und in der engagierten Präsenz geht es ja ums Handeln. Es geht nicht um Erkenntnis in dem Sinne, das gehört dazu. Aber Handeln macht dann doch den Unterschied. Es soll ja anders werden und hoffentlich auch besser, leichter, freudiger.

Noemi Harnickell An welcher Stelle kommen die Leute dann zu dir? Sind die schon so weit, dass sie schon erkannt haben, da stimmt was nicht? Oder sind doch an einem Punkt, wo sie gar nicht verstehen, dass etwas nicht stimmt?

Barbara Backhaus Nein, es sind vor allen Dingen die, die du als erste genannt hast. Die, die merken, irgendetwas stimmt jetzt nicht. Ich bin vielleicht zunehmend erschöpft. Die Freude fehlt, wenn ich morgens aufstehe. Hab gar nicht so eine Lust. Ich versuch immer mehr, immer besser, aber es kommen immer mehr Schwierigkeiten. Also es sind schon Menschen, die sagen, so wie ich es bisher gemacht habe, ich weiß zwar nicht, was los ist, aber irgendetwas ist nicht, ist nicht gut und ich möchte mir die Zeit nehmen.  Durchaus auch zeitaufwendiges Unterfangen. Ich möchte mir die Zeit nehmen, weil ich bin auch begeisterte Führungskraft oder ich mach das grundsätzlich gern, aber ich merk, wenn es so weitergeht, dann erschöpfe ich mich oder bin schon erschöpft. Die Arbeit, der Output für die Organisation, ist auch nicht mehr gut. Dieses lasche Gefühl, ich könnt’s auch furchtbar in den Sand setzen. Also irgend so ein Sand im Getriebe, der zunimmt.

Noemi Harnickell Aber es ist schon eine gewisse Reflektiert heit da, die Leute erkennen schon, dass sie an sich arbeiten wollen und das auch müssen. Sie sind nicht an dem Punkt, wo sie die Fehler ganz auf andere abschieben.

Barbara Backhaus Ne, absolut. Also das hatte ich auch zu Anfang gesagt. Das sind ja jetzt Menschen, die durchaus erfolgreich sind. Also ich kann mit Freude sagen, ich arbeite vor allen Dingen mit wirklich freundlichen, sehr reflektierten Menschen zusammen. Und das braucht es auch, diese Freundlichkeit zu sich selbst. Sonst mache ich diesen Weg nicht. Ich sage jetzt nicht, „Ha, interessiert mich, was noch so alles ist“ – das genügt dann doch nicht, weil unser Ego, das ja über Jahre und Jahrzehnte auch diese Werte, diese Glaubenssätze aufgebaut hat, dass zum Beispiel Leistung uns weiterbringt und zwar nur Leistung, das möcht ja auch bleiben. Das fängt ja an, sich zu wehren und von daher ist das schon ein Schritt, zu dem muss ich mal irgendwie, auch wenn ich nicht weiß, was jetzt genau kommt, ja gesagt haben. Sonst.Sage ich nach dem ersten oder zweiten Modul, nein, ich möchte das nicht. Deswegen machen wir auch immer erst Gespräche. Also sind tatsächlich fast handverlesene Gruppen, weil ich habe sehr viel Achtung vor dem Einsatz, den diese Menschen bringen, die in diese Weiterbildung gehen. Das ist ein hoher persönlicher finanzieller zeitlicher Aufwand, den ich wie gesagt sehr achte und auch nicht möchte, dass dort etwas verschleudert wird. Es soll ja allen etwas bringen. Also es geht jetzt nicht darum: Hey, noch mal ein Zertifikat, das ich mir an die Wand hängen kann. Es soll den Unterschied machen hinterher. Es soll ins Handeln kommen und es soll den Menschen, die sich auf diesen Weg begeben, auch mehr zu sich führen. Und sonst bitte lassen. Also das rein, hey, ich habe gehört, das ist was Tolles und ich guck jetzt mal – das genügt leider nicht. Wir bleiben von daher auch unserem Grundsatz treu. Wenn ich „wir“ sage, das ist mein Kollege Rainer Pervöltz und ich, wir bleiben dem Grundsatz treu: acht bis zehn Menschen pro Gruppe. Das sind kleine, exklusive Gruppen. Da lässt sich dann aber auch so eine intime Tiefenarbeit, Tiefenprozesse lassen sich in Kleingruppen dann gut durchführen. Von daher, auch in der Vorbereitung lassen wir sehr viel Sorgfalt walten. Sind das die Menschen, mit denen auch wir ein Jahr jetzt gemeinsam verbringen wollen? Das ist ja durchaus von uns auch als Begleitung ein Einsatz da. Also wir sind auch ganz da, wir wir gehen mit. Es ist jetzt nicht einfach nur das Geschäftsmodell. Also das würde uns, glaube ich, auch nicht in die Tiefe führen. Das das bringt jetzt nicht.

Noemi Harnickell Du hast vorhin einen ganz spannende Punkt angesprochen: der Körper und der Geist, die aufeinander reagieren. Wenn mein Geist sich versteift, versteifen sich vielleicht auf meine Schulter, aber ich spüre das physisch. Wenn psychisch was nicht stimmt, hast du das vielleicht ein bisschen näher erklären, wie das genau was da genau der Ablauf ist?

Barbara Backhaus Also ganz genau jetzt physiologisch und psychologisch kann ich das nicht. Ist auch hochkomplex. Würde glaube ich auch einen Podcast sprengen. Grundsätzlich ist es so, dass wir den Körper von unseren Gedanken, unseren Gefühlen selbstverständlich und umgekehrt auch nicht trennen können. Die Neurowissenschaften in den letzten 25, 30 Jahren haben ja wahnsinnige Erkenntnisse da auch hervorgebracht. Also dass man heute auch durchaus mit bildgebenden Verfahren messen kann, was passiert denn eigentlich im Gehirn, wenn ich an schwierige Sachen denke? Was passiert, wenn ich an freudige Sachen denke? Grundsätzlich ist es so, dass ich über den Körper sehr stark Einfluss nehmen kann auf mein inneres Empfinden. Und der Volksmund kennt das ja auch. Wenn ich sehr aufgeregt bin, dann sagen wir auch: Atme tief durch. Also Bauchatmung. Zum Beispiel weiß man, dass das auf die Vagussbremse aus auf den Parasympathikus wirkt, also mein physiologisches System, mein biologisches System beruhigt. Und in der Body-Brain-Connection geht es eigentlich darum, diese Mechanismen bewusster zu machen und auch zu nutzen. Wir greifen dazu auf einerseits neurowissenschaftliche Forschung der letzten 25, 30 Jahre zurück, aber auch auf Tools, wie es im Aikido, also in asiatischer Kampfkunst, schon seit Jahrtausenden oder Jahrhunderten gelehrt wird. Also wo es mehr so empirisches Wissen, also Erfahrungswissen ist. Und das streut halt sehr. Das macht den Teilnehmenden auch viel Spaß. Also wir bewegen uns auch viel. Wir arbeiten zum Beispiel mit Holzschwertern, was immer sehr lustig ist, aber auch sehr zu zu so eigenen Wertvorstellungen dann hinführt. Es geht um Selbstermächtigung, also zu spüren, wenn ich bei mir bin, dass mich drei Menschen, die größer und stärker sind als ich, nicht heben können, also vom Stuhl nicht aufheben können, das sind so Techniken aus dem Aikido. Wie gesagt, das ist schon einen Game Changer, in diese Selbstwirksamkeit auf einer sehr klaren Erfahrungsebene zurückgreifen zu können, das ist schon eine tolle Sache. Und das koppeln wir dann eben mit Reflexion. Das gehört immer dazu, mit Geschichten, die dann aufsteigen. Also jegliche Übung, jegliche Erfahrung, die ich körperlich mache. Da kommt irgendeine Geschichte, Erinnerung auch hoch. Die schauen wir dann an und gehen dann auch wieder über neue körperliche Erfahrung in neue Erfahrung, in andere Erfahrung, die dann die die alten, bisher gelernten Erfahrungen, die heute nicht mehr nützlich sind, ersetzen soll. Das braucht dann Übung, das braucht auch Begleitung, das braucht die Gruppe auch. Also eine Gruppe, die mich dann auch hält, wenn es nicht so gut läuft. Wir initiieren auch immer Tandem-lernen. Also dass ich einen Buddy hab während der sieben Module, während des Jahres, mit dem ich mich austauschen kann. Und so mit dieser mehrstufigen Begleitung klappt das eigentlich sehr gut. Und die Gruppen, die wir bisher begleitet haben über die letzten 10 bis 15 Jahre, die sind teilweise auch heute noch zusammen. Das sind dann sehr starke Gemeinschaften, die sich über Jahre stützen, was sehr freundschaftlich dann auch wird und wieder dem emotionalen Beziehungswesen, das wir als Menschen sind, wie ich gesagt hab, auch nutzt.

Noemi Harnickell Das ist ja auch was unheimlich Intimes in einer solchen Gruppe diese Geschichten wach werden zu lassen und die dann erzählen, die auch körperlich zu spüren und diese ganzen Zeugen dabei zu haben.

Barbara Backhaus Absolut, absolut. Also von daher ist das auch eine Regel, das, was in der Gruppe passiert, bleibt in der Gruppe, das ist klar. Das sind ja auch sehr verletzliche Dinge, die dann erzählt werden. Und deswegen auch die Inszenierung über drei Nächte zusammen zu sein, also von Donnerstagabend oder späten Nachmittag bis Sonntag Mittag und da auch Gemeinschaft zu erleben. Und deswegen auch die Idee, im Äußerlichen wunderbar versorgt zu werden, wie jetzt im Hof Weissbad im Appenzell. Also dass man da auch einen Rahmen hat, wo ich mich niederlassen kann für kurze Zeit. Und der geschützt ist.

Noemi Harnickell Es hat ja auch was Schönes an sich, ein schöner Ort. Es gibt Massagen und Spa und es gibt die ganze wundervolle Appenzeller Natur ringsherum. Ich glaube, erst diese ganzen Rahmenbedingungen, die du beschreibst, ist elementar, um überhaupt einen solchen Prozess durchlaufen zu können.

Barbara Backhaus Ja, ich glaube auch, dass wir das gar nicht oft genug lernen können, auch freundlich und sorgsam mit uns zu sein und uns auch auf diese Art zu verwöhnen. Diese Rahmenbedingungen sollen auch wertschätzend sein für das, was diese Menschen dort eingeben. Das braucht ja auch einen gewissen Mut zu sagen, ich schaue mir Sachen an.

Noemi Harnickell Die drei Tage, die beschrieben hast, das ist jedes Modul, oder? Jedes Modul hat drei drei Übernachtungen.

Barbara Backhaus Ja. Drei Übernachtungen in dem Rahmen, wie ich gesagt hab, Donnerstag späten Nachmittag bis Sonntagmittag.

Noemi Harnickell Und ich stelle mir vor, dass es das auch braucht. Also dass man vielleicht diesen ersten halben Tag auch braucht, um wieder anzukommen und in diese Intimität hineinzuwachsen.

Barbara Backhaus Ja, ja, in der Regel ist es so, dass der die Abendveranstaltung am Donnerstag wirklich genutzt wird, um anzukommen. Die Menschen, die teilnehmen, kommen ja aus dem Arbeitsleben, aus einem ganz anderen Hintergrund. Die Anfahrt ist schon mal ganz gut, wir sind immer ein bisschen abseits. Also man kann nicht direkt in irgendeiner Stadt einfach nur ein paar Straßen wechseln, sondern man braucht eine gewisse Zeit, um anzukommen. Das tut schon gut. Dann der Empfang, also man isst erst miteinander und dann schaut man: Wo stehen die einzelnen Menschen? Und dann geht man ins Bett und am nächsten Tag fängt es dann an.

Noemi Harnickell Die Leute, die da kommen, haben die bestimmte Ziele, wo sie am Ende des Kurses stehen wollen? Wie sehr variiert das und wie nah können sie diesem Ziel kommen? Oder was sind vielleicht auch realistische Ziele?

Barbara Backhaus Wir machen eine kurze Erhebung, bevor Sie kommen. Also können wir ausfüllen, weshalb möchte ich das machen? Was sind so meine Themen? Und in der Regel ist der Weg dann immer ganz anders, als sie sich vorgestellen. Aber sie kommen mit den Zielen, also klarer zu sein. In der Regel hat es was zu tun … konfliktfähiger, nicht mehr so gestresst, wieder mehr bei sich zu sein. In der Regel erreichen Sie diese Ziele aber auf eine ganz andere Art, als Sie denken. Wir kommen ja immer mit gewissen Vorstellungen und die werden sehr bedingt nur erfüllt. Selbstverständlich, kann ja auch nicht, weil es geht ja darum, alte Glaubenssätze und Vorstellungen zu ersetzen, neu zu codieren. Von daher ist es hoffentlich am Ende anders, als man sich am Anfang vorgestellt hat. Sonst machen wir unseren Job nicht gut.

Noemi Harnickell Der hast vorhin gesagt, du machst es ja schon seit 10, 15 Jahren. Hast du da jemals Zwischenbilanz ziehen können? Wie geht es den Leuten innerhalb dieser zehn Jahre nach dem Kurs? Konflikte gehen ja nicht weg. Als Mensch fällt man ja auch mal zurück in alte Muster. Hat sann vielleicht mehr Ressourcen, um schneller rauszufinden. Aber was ist so das Zwischenfeedback, was du von Leuten bekommst?

Barbara Backhaus Ich habe viel Kontakt zu fast allen Teilnehmenden und es ist so, wie du sagst. Das ist natürlich drei Schritte vor einen zurück, dann geht’s mal nur vorwärts. Dann gibt es einen Standpunkt. Aber das Erleben, es kann anders sein, geht ja nicht verloren. Und das ist ja auch gespeichert. Und dann die Kontakte innerhalb der Gruppe, die werden in der Regel auch wahrgenommen und von daher sind die Feedbacks gut. Das heißt, so ein Prototyp von dem Feedback ist, es ist immer noch chaotisch und schwierig. Doch ich kann es von einer anderen Seiten her sehen. Ich komm schneller raus. Ich weiß, wen anrufen. Ich. Und das, was sich unisono durchzieht, ist, ich kann aus dem Drama aussteigen, weil ich weiß, es ist eine dramatische Inszenierung und ich habe die Entscheidungsfreiheit. Und manchmal dauert der Ausstieg ein bisschen länger, manchmal ist er sofort. Doch in der Regel, ich kann aussteigen und das ist so erleichternd und bringt alles auf ein ganz anderes Level.

Noemi Harnickell Das nimmt einem ja auch die große Angst, irgendwo scheitern zu können.

Barbara Backhaus Ja, oder das Scheitern, das sogenannte Scheitern wird ganz anders konnotiert. Also Scheitern ist nicht Versagen auf der ganzen Linie, sondern Scheitern ist mehr, tatsächliches fast das Lernen oder so, was jetzt vielleicht von dem Schmerz nichts nimmt oder es ist ja nicht schön, aber nochmal: Dieses ungeheuer Dramatische. Geht verloren. Es kann sein, wenn Beziehungen zum Beispiel auseinandergehen, der Schmerz ist da, aber ich weiß, ich kann den zulassen. Und das wird sich verändern. Es ändert sich eigentlich scheinbar wenig und dann doch alles. Und das ist die Rückmeldung, die ich immer wieder bekomme. Also es ist doch viel mehr Humor drin. Freundlichkeit. Es wird um vieles friedvoller. Und das Thema der Selbstwirksamkeit steht so im Mittelpunkt. Ich bin wirksam. Ich bin nicht einfach nur als hilfloses Rädchen oder von außen gesteuert, sondern ich bin wieder Herr oder Herrin in meinem Leben auf ganz freundlich sorgsame Art.

Noemi Harnickell Und ich kann mir vorstellen, dass es auch sehr bestätigend ist zu wissen, dass man eine Macht, eine Handlungsmacht hat. Und gerade als Führungsperson, denke ich, gibt es wenig, was ernüchternder ist, als zu erkennen, dass es einen eigentlich nicht braucht. Oder das Gefühl zu haben, dass man ja gar nicht fähig ist, oder? Dass die Angestellten, die Mitarbeitenden das lieber ohne einen machen wollen. Und ich glaube, an diese Kraft zu kommen, zu spüren, doch, es braucht mich in der Funktion.

Barbara Backhaus Genau. Es braucht mich in der Funktion und es braucht mich in einer ganz anderen Art, als ich bisher dachte. Es hat mit, ich sage es mal so, dieser allgemeinen Definition von Macht wenig zu tun. Es geht nicht mehr um Manipulation oder so, es geht vielmehr um das große Ganze. Was ist mein Job hier? Also Job in einem tieferen Sinne. Und das ist dann merkwürdigerweise viel unabhängiger von äußeren Rollen, sondern ich mach das, wofür ich gedacht bin. Und dann ist auch die Kraft da. Es kommt nicht zu diesen Burnout-Geschichten, zu dieser endlosen Erschöpfung, sondern der tiefe Sinn, ich habe den roten Faden in meinem Leben wieder. Das läuft selbstverständlich nicht immer gradlinig. Der schlenkerte hin und her. Das darf er auch. Und nochmals: Ich bin jetzt ein bisschen redundant, letztendlich ist das Ausstieg aus dem Drama. Es ist die Verrücktheit des Lebendigen, aber auch die Kraft des Lebendigen, das immer evolutionär ist. Lebendiges ist immer evolutionär. Es geht immer weiter. An dieser Kraft docken die Teilnehmenden wieder an, es geht weiter. Es ist gerade verrückt. Ich verstehe es nicht, aber ich muss es auch nicht verstehen. Ich vertrau dem Prozess des Lebens. Also so ein tiefes Selbstvertrauen wird wieder wach, das wir ja alle haben, das jedes Kind hat und dass wir dann im Laufe des Lebens oft verlieren. Und an das docken sie wieder an und das ist natürlich total schön.

Noemi Harnickell Aber ich glaube, diese Kraft zu spüren, das ist ja etwas, was unheimlich viel Mut auch gibt und was eine Hoffnung gibt, überhaupt weiterzumachen.

Barbara Backhaus Absolut, absolut. Ja, jetzt ein großes Wort, man ist an seinem Sinn des Lebens plötzlich wieder dran. Und der zeigt sich natürlich ganz unterschiedlich. Das weiß ich ja auch nicht bei anderen, das kann ich für mich entdecken und kann dort immer wahrhaftiger und ehrlicher mit mir werden. Und dann entfaltet sich das Leben so Ich muss gar nicht mehr so viel managen, es entfaltet sich tatsächlich.

Noemi Harnickell Hat es denn jemals Leute gegeben, die zu dem Kurs kamen und gemerkt haben, Hey, ich bin gar keine Führungskraft oder Ich will gar nicht in dieser Führungsposition sein? Vielleicht will ich ja ein anderes Rad sein in diesem System?

Barbara Backhaus Absolut ja. Also das kann sein. Wenn ich das entdecke und merke, ich bin aus gelernten Glaubenssätzen jetzt wirklich in der absolut falschen Rolle und dann ist auch der Mut da und es entfaltet sich da auch wieder ein neuer Weg und dann ist es auch nicht dramatisch. Also wir hatten Führungskräfte, die dann gesagt haben, ich bereit das jetzt vor, ich gebe meine Führungskraft auf, ich mach das sorgsam, ich lass mir ein Jahr, anderthalb, zwei Zeit – und die dann das vollkommen anders gemacht haben. Also sowohl aus dem Fachbereich ausgestiegen noch sonst was, die vollkommen andere Lebensabschnitte gegangen sind, aber mit einer gewissen Sorgsamkeit. Also die haben dann ihre Leute nicht einfach allein gelassen, sondern wie gesagt vorbereitet, dass das weiterlaufen kann und dann wirklich gut Abschied genommen. Wir haben wenig in den gut 15 Jahren, wo Rainer und ich das jetzt machen, hatten wir zwei Teilnehmende, die ausgestiegen sind, also die dann diesen Schritt nicht machen konnten. Dann haben wir auch viel gelernt, also von Thema Abschied nehmen, das war durchaus schmerzhaft auch anzusehen, wie sie wieder von sich wegging und und plötzlich zu merken, auch da können wir gar nichts machen. War aber auch heilsam. Für uns sind gut 100 Menschen, die wir jetzt durch begleitet haben, wo ich sage, das geht so, jeder in seiner Form des erfolgreichen Lebens. Deswegen macht uns das ja auch so Freude. Es sind tolle Kurse, es ist eine Herzensangelegenheit für uns und wir können es uns leisten, weil wir sonst noch Geschäfte haben, die uns ernähren. Also wir sind nicht mal abhängig davon, dass uns diese Kurse ernähren und das bringt schon eine Wahnsinnsruhe rein, das muss ich sagen. Und wir können auch nicht mit 20 Leuten das machen, Das können vielleicht andere. Wir können es nicht, weil es diese Konzentration auf dieses Mitgehen … und für mich sind 8 bis 10 Leute die oberste Grenze dann tatsächlich. Sonst kriege ich sie nicht mehr mit.

Noemi Harnickell Du willst als Begleiterin auch nah dran sein.

Barbara Backhaus Genau. Und da gibt es sicher andere, die das anders machen auf jeden Fall. Ich will auch gar nicht sagen, das ist ein Must. Ich kann jetzt ja nur von mir sprechen oder das, was Rainer und ich machen. Und wir möchten es eigentlich so behalten, weil wir merken, da sind wir auch in einem Status für diese drei Tage, wo wir gut da sein können.

Noemi Harnickell Gibt es für dich irgendwelche Dinge, auf die du dich sehr freust jedes Jahr?

Barbara Backhaus Ich freue mich immer auf den Beginn, der sehr spannend ist. Und dann freue ich mich wirklich jedes Mal, wenn wir… weil es wird ja, es ist immer spannend und es tut mir immer ein bisschen weh, wenn es schon zu Ende ist. Obwohl ich weiß, wenn man es weiterführt, wird es sicher nicht besser. Und man muss dann auch mal sagen, jetzt ist gut und jetzt laufen und so, aber der Beginn ist immer das, wo ich eigentlich am aufgeregtesten bin. Ich mag das so Beginne, so ein Start. Das mag ich halt sehr. Dadurch, dass man auch so nah miteinander ist und wirklich dann auch in so einem Flow ist und miteinander schafft. Und manchmal ist es hart und dann fließt das wieder. Das verbindet natürlich sehr und dann ist das Jahr dann zu Ende ist oder siebte Modul, ist immer auch ein bisschen so dieser Abschiedsschmerz und das finde ich auch gut. Dann denke ich auch, dann haben wir was Gutes gemacht, wenn es auch so ein bisschen weh tut, dass man nicht jetzt Tschüss sagen muss.

Noemi Harnickell Das ist eigentlich ja schön, wenn man etwas hat, das einem weh tut, aufgeben zu müssen.

Barbara Backhaus Ja, aber auch gern. Also ich wollte jetzt niemanden da noch einen Kurs und noch einen Kurs … dafür bin ich gar nicht, sondern dann kann man lieber in einem anderen Kontext wieder zusammenfinden, denn es sind ja auch sind alles selbstständige Menschen. Also der Link ist ja angegeben. Ich vermittle gern an Menschen, die das schon gemacht haben und ich würde mich freuen, wenn das weiter Verbreitung findet. Wir haben jetzt immer wieder Anfragen und führen das auch durch, dass wir so Deep Dive Sachen in den Organisationen noch machen, was sehr mutig ist von Organisationen. Also das Thema ist da. Das war’s vor 15, 20 Jahren noch viel weniger bis gar nicht. Also heute stoße ich auf viel, viel offenere Ohren und viel, viel begeistertere Menschen auch für dieses Thema. Meldet euch, wenn es Rainer und ich nicht sind, wir haben ein großes Netzwerk. Es gibt sich auch andere Formen des Deep Dives, wo wir Ideen haben, Kollege,n Kolleginnen, die es etwas anders machen. Uns ist es ein Anliegen, dass das immer mehr in die Organisationen kommt, weil meine Erfahrung jetzt über manches Jahrzehnt ist, wenn Menschen in Verantwortung, die immer auch in der Vorbildfunktion sind, bei sich sind, engagiert in der Klarheit, in der Präsenz sind, läuft es so viel einfacher in den Organisationen. Es ist so viel erfolgreicher mit weniger Regeln und viel mehr Freude. Es lohnt sich auf jeden Fall.

Noemi Harnickell Veni Vidi Violini ist eine Produktion der kreativen Lösungswege Bern. Ihr findet alle Folgen auch online auf www.kreativeloesungswege.ch. Wenn euch dieser Podcast gefällt, dann folgt uns und empfehlt ihn gerne weiter. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Mal.

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